Modernisierung oder Entmietung?

Vorbereitung der Entmietung durch Modernisierung

Unbestritten, viele, nicht alle, Wohnungen in der Jagowstraße 35 sind in einem nicht mehr zeitgemäßen Zustand, wie es aber in anderen bewohnten Häusern in Berlin auch der Fall ist. Wenn Meldungen von Defekten und Wartungen nicht oder nur sehr zögerlich durchgeführt werden, wie in der Jagowstraße 35 geschehen, dann ist aber durch den Eigentümer zu verantworten, dass der Zustand sich weiter verschlechtert.

Am 27. April 2024 hat nun der Anwalt des Eigentümers 9 von 11 bewohnten Wohnungen im Haus besichtigt um den Modernisierungsbedarf festzustellen. Der Augenmerk lag besonders auf Fenstern (teilweise moderne Isolierglasfenster, teilweise nicht), Elektrik (bis auf eine Wohneinheit mit alten Schraubsicherungen), Badausstattung (Dauer bis das Warmwasser aus der Leitung kommt, da alle Wohnungen mit Durchlauferhitzern ausgestattet sind) etc.

Dies um den Modernisierungsbedarf zu ermitteln und die ´Mieten anzupassen. Diese liegen aufgrund der alten Verträge für Berliner Verhältnisse recht niedrig, gut für den Mietspiegel und damit auch alle Mieterinnen und Mieter in der Stadt.

Für die Baumaßnahme sollen wir 30 Monate (zulässig sind laut Gerichtsentscheidungen wohl nur 12 Monate) umgesetzt werden. Angesichts der Wohnungssituation in der Stadt fragen sich alle wie er die Wohnungen dafür finden will. Wahrscheinlicher ist, dass die Hoffnung besteht, dass wir uns dann doch was anderes suchen, wer will schon 2,5 Jahre seines Lebens irgendwo verbringen also temporär in einer ganz anderen Gegend. Der Verzicht auf den Abriss vom Vorderhaus und Umsetzwohnungen in der Jagowstraße 35 kommen für den Eigentümer wohl nicht in Betracht. Das ist aus seiner Sicht auch klar, das verkauft sich dann auch nach Mietanpassung, die nur sehr begrenzt möglich ist, nicht gut.

Das Haus ist nun schon seit 2017 (Gesellschaftervertrag der Jagowstraße 35… GmbH) im Besitz bzw. geplant im Besitz der aktuellen Eigentümer. Nie wurde die Miete angepasst oder eine Wohnungsbesichtigung durchgeführt. Wohl in der Hoffnung das sei durch die Fluktuation der Mieter nicht nötig.

Wir hatten zur Vorbereitung der nun nach gut 6 Jahren stattfindenden Wohnungsbesichtigungen am 27. April 2024 Unterstützer eingeladen (dank an alle die kamen!) und vor dem Haus und im ehemals besetzten Haus gegenüber (Jagowstraße 12) über unsere Situation informiert und dabei auch die Presse zu Gast, siehe auch den Artikel dazu in der TAZ
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Der Anwalt des Eigentümers (schräg von hinten zu sehen mit blauer Jacke und Rucksack) lehnt während des Interviews mit der TAZ lässig an einem Umzugskartonstapel

Wir erfuhren an dem Termin vom Anwalt des Eigentümers auch, dass diese planen nach der Sanierung das Haus an eine Verwertungsgesellschaft weiter zu veräußern, die dann die einzelnen Wohnungen verkaufen soll. D.h. man vermeidet auch sich selber mit dem lästigen Wohnungsverkauf zu beschäftigen. Das ist schon ein seltsames, von den betroffenen Menschen komplett entrücktes, Vorgehen: Ohne Rücksicht auf Bestandsmieter wird ein Haus gekauft, die Mieter vergrault, alles teuer aufgehübscht (mit mietpreissteigernden Merkmalen wie Tiefgarage, Aufzug, Balkonen) und dann an eine Firma zum Weiterverkauf veräußert. Danach sind das Eigentumswohnungen die, wie in Berlin oft der Fall, meist Menschen gehören, die nicht darin wohnen und die das auch nur gekauft haben um damit Geld zu verdienen. Hier wollen also Sanierer, Verwerter und neue Eigentümer verdienen. Was das für die Mieten bedeutet ist naheliegend, sie werden komplett überteuert sein. Die leidtragenden sind die dann dort wohnenden Mieter, die nichts anderes finden und hohe Mietpreise für eine Wohnung mit nicht gerade idealer Lage zahlen. Auf der Karte sieht die Lage noch gut aus, in Moabit, nahe zum Tiergarten, Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe, ABER zumindest wer zum vorderen Hof hin wohnt darf sich öfters, auch morgens vor 7 Uhr, anschauen wie die Feuerwehr ihr Gerät mit nicht gerade wenig Lärm testet. Das merkt man aber erst nach dem Einzug. Zudem haben insgesamt 70 % der Wohnungen kein direktes Sonnenlicht, aber Hauptsache mietpreissteigernde Merkmale sind vorhanden um die Miete zu rechtfertigen.

Sinnvoll wäre es aus unserer Mietersicht wenn die Eigentümer tatsächlich was langfristiges planen und nicht nur, wie einer sagte, für seine Kinder, sondern für die Menschen in der Stadt. D.h. auf den Abriss des Vorderhauses verzichtet wird, eine preiswerte Sanierung ohne mietpreissteigernde Merkmale durchführt und dann die Wohnungen vermietet. Dann hätten nicht nur die Eigentümer langfristig etwas davon (auch einen besseren Ruf wenn es um Immobilien geht), sondern auch die Menschen in der Stadt, sofern die Mieten im Rahmen liegen. Einer der Eigentümer ist aktiv im Vorstand der Aktion „Fair Share“ für Fairness in der Musikindustrie. Da tut er – zumindest auf den ersten Blick – so, als ob es ihm Fairness gegenüber Musikern am Herzen liegt, warum dann nicht auch gegenüber den Menschen in der Stadt, die keine andere bezahlbare Wohnung finden können?